Willkommen in der virtuellen Welt in Rot

Dieser Blog dient mehrerer Funktionen:
Einerseits um mit mir selbst ins Reine zu kommen, andererseits um interessierte Leser an den wissenschaftlichen Sozialismus von Karl Marx und Friedrich Engels heranzuführen.
Neben ideologischen Fragen werden hier bei Bedarf auch Themen aus der Alltagspolitik versucht darzustellen.

Freitag, 10. September 2010

Erfahrungen während eines Ferienjobs

Ende Juli / Anfang August 2010 führte ich einen Ferienjobs in einem kleinen Verpackungsbetrieb durch.

Mein abstrakt-theoretisches Studium vom Marxismus fand hier erstmals nahrhaften Boden durch konkret-praktische Tätigkeit am Fließband. Während sich mein Wissen vom Kapitalismus auf ein paar Bücher beschränkte, war es für mich zu unsicher, diese Kritik öffentlich zu propagieren. Erst durch die Erfahrungen des Ferienjobs habe ich mit Erstaunen festgestellt, dass (fast) sämtliche Theorien über den Kapitalismus von Marx und Engels im erschreckendem Einklang zur Realität stehen – selbst zu einer Realität in einem Kleinbetrieb des 21. Jahrhunderts. Strenge hierarchische Unterordnung, monotone geistige Unterforderung, strikte Arbeitsteilung bei fehlender Abwechslungen, ständiger Stress in den Pausen, auf Toilette gehen zu können und dann noch sein Pausenbrot zu schaffen, das Streben der Arbeitgeberin nach möglichst billigen Arbeitskräften (mehrzahl der Betriebsbeschäftigten bestand aus Ferienjobblern), willkürliche und pseudo-produktive Maßnahmen gegen die eigene Belegschaft wie zB verbotenes Anlehnen/Hinsetzen an einem Tisch oder verbotenes Musikhören während der – im zweideutigen Sinne – eintönigen Fließbandarbeit usw. sind einige Beispiele der von mir mitbekommenen Erfahrung innerhalb von zwei Wochen. Das ist meine kritische Erfahrung der ersten Ebene. Diese Ebene ist mit Sicherheit spezifisch nur auf dieser konkreten Firma anwendbar und kann sich von Betrieb zu Betrieb unterscheiden.
Die zweite Ebene meiner kritischen Erfahrungen betreffen aber allgemeine Gesetze einer jeden Firma. Der Arbeitsalltag war in drei Schichten aufgeteilt, wovon ich allerdings stets nur die Frühsschicht mitgemacht habe. Diese Frühsschicht dauerte de jury 8½ Stunden, von 06.00Uhr morgens bis 14.30Uhr mittags. De facto aber bemerkte ich schnell, dass dieser Arbeitstag Auswirkungen über diese 8½ Stunden hinaus hat. Meist von Rückenschmerzen aufgrund der permanenten Pflicht zum Stehen geplagt, musste man sich nach Feierabend erstmal hinlegen. Zwar war ein solcher Arbeitsalltag für mich zugegebenermaßen noch ungewohnt, aber dass die Reproduktion meiner Arbeitskraft mehrere Stunden zusätzlich verschlang, ist unbestreitbar. Hat sich mein Rücken an seiner neuen Aufgabe angepasst, zwang einem die Müdigkeit zum mehrstündigen Verweilen auf dem Sofa. Die von mir vorgenommenen sonstigen Aktivitäten innerhalb dieser zwei Wochen, so das Vorlernen für die Jahrgangsstufe 13 oder das eifrige Lesen mancher guter Bücher konnte ich entweder gar nicht oder nur im Konflikt mit der eigenen Müdigkeit ausführen. Die Zeit zum Ausführen eines Hobbys oder für gesellschaftliches / ehrenamtliches Engagement ist durchaus vorhanden, jedoch nicht oder nur schwerlich, wenn man die benötigte Zeit zur Reproduktion seiner Arbeitskraft für den nächsten Tag am Fließband abzieht. Man kommt zu dem Schluss, dass der Arbeitstag endet, damit man Zeit findet, seine Arbeitskraft für den nächsten Arbeitstag genügend zu reproduzieren. Der gesamte (!) Tag dreht sich also nur um die Arbeitskraft. Man kann sich nach dem Arbeitstag auf das Sofa legen, Musik hören, Fernseh gucken oder vielleicht auch ein Buch zur Hand nehmen – aber ansonsten gehen viel mehr Aktivitäten nicht, man macht sich fit für den nächsten Tag. Während der Feierabend also verhältnismäßig schnell erreicht ist, dauert der eigentliche Arbeitstag noch um einiges länger an.
Und da sind die fundamentalen Kapitalismuskritiken wie die Mehrwert-Theorie noch nicht einmal angesprochen.

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