Anspruch und Wirklichkeit der emanzipatorischen Stellung der Frau im Realsozialismus
Fortschritte in der Theorie
- Marxistische Theorie nach Bebel: Frauenfrage ein Teil der Sozialen Frage
- Verfassung der DDR vom Mai 1949
→ Gleichberechtigung von Mann und Frau: „Artikel 7 der Verfassung von 1949 legte fest: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenwirken, sind aufgehoben."
→ Frauen haben Recht auf Arbeit, gleichen Lohn bei gleicher Arbeit und Recht auf Bildung
- staatlichen Schutz der Mutterschaft
- gemeinsame Verantwortung für Mann und Frau bei der Erziehung des Kindes und bei der Hausarbeit
- Nichterwerbstätigkeit als Hauptfaktor ihrer Unterdrückung
→ Einbeziehung der Frau in die Arbeitswelt
Stagnation in der Praxis
- Für Frauen selbst erschien das Familienleben bzw. die traditionelle Rolle der Frau hinter dem Herd wichtiger als die Erwerbstätigkeit
→ Rückstände vom reaktionären Frauenbild der NS-Ideologie
- Leitbild: Frau mit Facharbeiter-, Fachschul-, oder Hochschulabschluss, welche die Doppelbelastung als Mutter glänzend beständen
→ Ausschluss von Hausfrauen und kinderlosen Frauen
- Nicht die Frau selbst, sondern der Staat übernahm die Verantwortung für die Emanzipation der Frau
- Männer bestimmten z.T. das Leitbild der Frau: Für Frauen galt das erstrebenswert, was die Männer schon erreicht hatten
→ fehlende Möglichkeit zur Selbstverwirklichung der Frau
- Höhere Funktionen in Verbänden und Parteien blieben männerdominiert
- Frauen trugen eine dreifachbelastung: Arbeit, Mutterschaft, öffentliches Engagement in der Partei und anderen gesellschaftlichen Organisationen
Die Frau in Familie, Partnerschaft und Ehe
- Konservatives Familienleitbild: Familie mit verheiratetem Paar und 2-3 Kindern als Idealfall
→ in Relation zur BRD frühe Eheschließungen, weil Ehepaare bei Wohnungsvergaben bevorzugt wurden
- Durch Kinderbetreuungseinrichtungen und Haushaltshilfen wurden Frauen während der Mutterschaft massiv vom Staat entlastet, sodass sie für lediglich ein Jahr mit der Erwerbstätigkeit aussetzen mussten. Weitere Entlastungen waren:
→ Geburtenbeihilfen
→ bezahltes Babyjahr bei Fortdauer der Betriebszugehörigkeit
→ zinsloses Familiengründungsdarlehen (bei 8jähriger Tilgungsfrist und bei Geburt eines Kindes wurden 1000 Mark erlassen, beim zweiten 1500 Mark und beim dritten 2500 Mark, ingesamt also bis zu 5000 Mark)
→ Kindergeld
→ Ausbildungsbeihilfen
- Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Hausarbeit hing größtenteils vom Bildungsstand der Individuen ab
- Umfrage 1982: Für 60% der Frauen mittlerer Jahrgänge haben Arbeit und Familie diesselbe Bedeutung
- Hohe Scheidungsrate aufgrund finanzielle Unabhängigkeit der Frauen
- Verpflichtung der Väter zum Unterhalt des Kinders – unabhängig davon, ob das Kind ehelich oder unehelich geboren wurde
- Soziale Hilfen des Staates für alleinerziehende Mütter
→ bevorzugte Kinderkrippenplätze
→ Finanzausgleich bei Krankheit des Kindes
- Familiengesetzbuch der DDR von 1966: Ehegatte wird aufgefordert, ihre Beziehungen zueinander so zu gestalten, dass „die Frau ihre berufliche und gesellschaftliche mit der Mutterschaft vereinbaren kann“
Die Frau in der Arbeitswelt
- Integration möglichst vieler Frauen in die Arbeitswelt als wichtigster Schritt auf dem Weg der Gleichberechtigung
→ ökonomische Unabhängigkeit als Garant ihrer Befreiung von der „Sklaverei“ der Hausarbeit
- Ebenso sollten Frauen durch Erwerbstätigkeit dazu beitragen, die Produktivität des Landes zu steigern und damit die Deutsche Demokratische Republik aufzubauen und zu stabilisieren
- 1989 waren 91,2% der Frauen berufstätig
- verschwindend geringer Anteil der Frauen in Leitungspositionen
→ Frauen verdienen 25%-30% weniger wie Männer (Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit)
→ rest-patriarchalische Gesellschaftsstruktur
→ Mutterschaft wirkt sich trotz staatlicher Hilfen noch immer unterbrechend auf ihre Karriere aus
- Während Jungs meist Ausbildung in der Industrie machten, bevorzugten Mädchen die Pädagogik, die Medizin oder den Handel
- Staat regulierte den Geschlechteranteil bei der Lehrstellen-Vergabe
- Betriebe und Kombinate begründeten ihr Interesse nach männerdominierten Arbeitsbereichen wie folgt:
→ Ausfallquote und Fluktuation seien bei Frauen durch Mutterschaft größer
→ Übertreffen der physischen Anforderungen an die Mädchen
→ nicht genügend technisches Interesse seitens der Mädchen
Politische Partizipation der Frau
- Allgemeine Einschränkung der Möglichkeiten zur politischen Partizipation an gesellschaftlich relevanten Themen führt logischerweise auch zu einer Einschränkung der politischen Partizipationsmöglichkeiten der Frau
- SED stellte Posten einer „Frauenbeauftragten“ zur Verfügung
- Frauenquote beim Zentralkomitee der SED nur bei ~15%, und dann nur als Organisationsspezialisten
- betriebliche Frauenausschüsse beim Freien Deutschen Gewerkschaftsbund sollten Mutterschaft und Beruf vereinbaren zu helfen
- Der 1947 gegründete Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) war eine Frauen- und Massenorganisation und Mitglied der Nationalen Front, welche sich für die Verwirklichung des verfassungstechnischen Auftrag zur Gleichberechtigung einsetzen sollte sowie verantwortlich war für die Werbung und Mobilisierung zur Berufstätigkeit
→ "Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau" vom 27. September 1950 wurde vom DFD ausgearbeitet und stellte die Grundlage für die Verwirklichung des Gleichberechtigungs-Anspruch zwischen Mann und Frau in der Verfassung
→ Auf Betreiben des DFD entstanden ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre Frauenakademien und Frauensonderklassen in vielen Bildungseinrichtungen
→ In den 1970er Jahren organisierte der DFD in Bezirks- und Kreisstädten über 200 „Beratungszentren für Haushalt und Familie“, die sich rasch zur praxisorientierten Beratung für Ehe, Haushalt und Säuglingspflege entwickelten
Fazit
Die Rolle der Frau im sozialistischen Ostdeutschland muss ambivalent betrachtet werden:
- Die DDR hatte die Forderungen von Marx, Engels und Bebel in Sachen Frauenemanzipation übernommen und vieles in Ansätzen verwirklicht
- Die Einrichtung von flächendeckenden und staatlich subventionierten Kinderbetreuungseinrichtungen erleichterten den Frauen den Alltag im Sozialismus enorm und dienen heute progressiven Parteien im Bundestag als Vorbild auch für Gesamtdeutschland
- Die Eingliederung der Frau in den gesellschaftlich organisierten Arbeitsprozeß zum Ziel der Unabhängigkeit der Frau (Marx/ Engels, Bebel) war in der DDR im großen und ganzen vollzogen
- Seit den 50er Jahren wurden immer mehr Frauen berufstätig und dadurch finanziell unabhängiger von ihren Männern, was u. a. an der hohen Scheidungsrate abzulesen ist
- Zur Erleichterung bei Hausarbeit und Kindererziehung (Marx/ Engels, Bebel) standen Haushaltshilfen und Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung. Mutter und Kind blieben so meist nur 1 Jahr nach der Geburt im Hause
- Die Gleichheit von Mann und Frau von Gesetzes wegen, wie sie bereits August Bebel gefordert, war in der Verfassung der DDR konstatiert
- Die "Ebenbürtigkeit von Mann und Frau in der geistigen Ausbildung" (Bebel) hatte die DDR theoretisch ebenfalls erreicht. Seit den 60er Jahren fand die Verstärkung der Qualifikation von Frauen (Facharbeiterin, Fachschul- oder Hochschulstudium) statt
- Es resultierte daraus eine Grundqualifikation in Bildung und Beruf von ca. 50:50 zwischen Mann und Frau
Allerdings gab es auch Stagnationen in der Frauenemanzipation und der Frauenfrage:
- So verdienten Frauen im Durchschnitt weniger und waren sehr selten in leitenden Positionen vertreten
- Es gab in der DDR ähnlich frauentypische Berufe wie in der BRD
- Die staatlich aufgezwungene Emanzipation, die nicht von den Frauen selbst ausging
- Das durch die gesamte Gesellschaft noch immer vorherrschende patriarchalische Weltbild (auch die SED als Avantgarde war nicht besser wie der restliche Bevölkerungsteil der DDR)
- Der Vergleich der Leistungen der Frau mit den bereits erreichten des Mannes und der daraus resultierenden fehlenden Möglichkeit zur Selbstverwirklichung der Frau
- Innerhalb der begrenzten politischen Partizipationsmöglichkeiten von DDR-BürgerInnen wurde der Frauenorganisation DFD nur ein gewisses "Mitsprache- und Mitwirkungsrecht" zuerkannt
Insgesamt ist die Rolle der Frau in der DDR fortschrittlicher als dies zur selben Zeit in Westdeutschland der Fall gewesen ist, wo die Frau sich erst nach der Studentenrevolution von 1968 Gehör verschaffen konnte. Die ebenfalls vorhandene Stagnation der Frauenemanzipation im Osten ist auf das autoritär-repressive politische System der DDR in Verbindung mit dem permanenten Strukturkonservativismus im ZK der SED zurückzuführen.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratischer_Frauenbund_Deutschlands
http://www.emanzipation-im-sozialismus.de/
http://www2.hu-berlin.de/sexology/ATLAS_DE/html/die_frauenbewegung_in_deutschl.html
http://www.bpb.de/themen/T1TEYR,0,0,Auferstanden_aus_Ruinen.html
Information zur politischen Bildung: Frauenbewegung
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