Der Begriff des Imperialismus steht außenpolitisch stets im Zusammenhang zum Kolonialismus (Bestreben entwickelter Staaten, jenseits der eigenen Grenzen unterentwickelte Gebiete politisch, wirtschaftlich und kulturell zu beherrschen). So kommt es, dass man mit dem Imperialismus heute auch eine Zeitepoche verbindet (1880-1914), wo europäische Großmächte ihre Kolonien expansiv ausweiteten und dabei in gegenseitiger Konkurrenz standen (deshalb antagonistische Expansion). Der Antagonismus (unversöhnlicher Widerspruch bzw. Gegensatz, Vergleich Bourgeoisie & Proletariat) ist dafür verantwortlich, dass im Zuge des Imperialismus keine staatliche Monopolstellung zustande kam und auch kein einheitlicher Weltimperialismus entstand, weshalb die nationalstaatlichen Widersprüche der ersten ökonomischen Globalisierung in den I.Weltkrieg mündeten.
Die Bourgeoisie war damals noch nicht so weit entwickelt wie heute, sie stehen ja im ständigen wirtschaftlichen Wettbewerb und müssen sich „bekämpfen“, um als Einzelbourgeois Gewinn zu erzielen. Heute hat die Bourgeoisie erkannt, dass nationalsstaatliche Konkurrenz kein Mittel zur Gewinnmaximierung ist. Die nationale Bourgeoisie (des 20. Jahrhunderts) wurde zur internationalen Bourgeoisie (des 21. Jahrhunderts). Die heutige Globalisierung ist das Gegenteil der damaligen antagonistischen Expansion und die Lehre aus den Weltkriegen.
Der I.Weltkrieg war deshalb eine historische Notwendigkeit, da der Kapitalismus 1914 einer große ökonomische Blase glich, welche durch den Krieg geplatzt ist (Beginn der Weltwirtschaftskrise nicht 1929, sondern 1914).
Diese ökonomische Blase kam auch deshalb zustande, weil der im Imperialismus entstandene Nationalismus Staaten zwang, auch wenig ertragreiche Kolonien zu okkupieren, nur um den Ruf als Großmacht zu festigen. Die politische Eroberung verschiedener Kolonien war ökonomisch zum Teil kontraproduktiv (Verwaltung & Besatzung > wirtschaftlicher Ertrag, Ressourcenausbeutung), da die Spekulation nach Gewinn ein größerer Antrieb war als nüchterne wirtschaftliche Einschätzungen (→ Spekulationsblase → ökonomische Instabilität → I.Weltkrieg). Der ökonomische Unsinn des Protektionismus durch Imperialismus beweist die Tatsache, dass für jedes imperialistische Land der Tauschhandel und die Kapitalinvestitionen mit ihren Kolonien nur eine sekundäre Rolle spielte, primär war immer noch der Handel mit den Nationalstaaten untereinander (Import und Export mit Kolonien reichte nie über 20%, Frankreich investierte mehr Kapital in Russland als in seinen Kolonien). Bevor der imperialistische Antagonismus in den I.Weltkrieg mündete, stand 84,4% der Erdoberfläche unter weißer Herrschaft, 1/5 der Weltfläche waren Kolonien. Das British Empie besaß 30 Millionen Km², Frankreich 8 Millionen Km² und Deutschland 3 Millionen Km² (2010: 357.023 Km²).
1914 ist die kapitalistische Weltordnung zusammengebrochen. Das nahm die Form eines Krieges an, aber dem Ausbruch des militärischen Konflikts zwischen den europäischen Mächten lag der Zusammenbruch der ökonomischen Grundlagen zugrunde, auf denen die vorherige relative Stabilität beruht hatte.
Nach dem kapitalistischen Zusammenbruch von 1914 folgte eine Ära der Revolutionen – Russland, Deutschland, Ungarn, überall wurden rote Fahnen geschwungen. Als Lenin 1915 die objektiven Bestandteile einer revolutionären Situation untersuchte, war sein Name erst wenigen Menschen bekannt. Den Verrat der internationalen Sozialdemokratie trotzend vertrat Lenin die Meinung, dass mit dem Ausbruch des Krieges die sozialistische Revolution endlich weltweit auf der Tagesordnung steht. Der Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft muss nicht nur durch einfache Wirtschaftskrise deutlich gemacht werden; er kann auch im nationalstaatlichen Krieg enden. Der I. Weltkrieg war das Fanal einer möglichen neuen Epoche, in der die herrschende Ordnung umgestürzt werden konnte. Das Jahr 1914 signalisierte so den ersten großen Zusammenbruch der kapitalistischen Ordnung.
Als die kapitalistische Wirtschaftsordnung bereits Ende des 19. Jahrhunderts stark wankte (Große Depression; sie waren vor allem von fallenden Preisen und Profitraten gekennzeichnet), konnte sie sich durch den ökonomischen Imperialismus retten (Märkte, Bodenschätze und andere Rohstoffe). Die Große Depression dauerte bis Mitte der 1890er Jahre, woraufhin die kapitalistische Kurve wieder nach oben ging. Die Profite begannen zu steigen, die Märkte dehnten sich aus. 1914 allerdings war die koloniale Aufteilung der Welt abgeschlossen, das Kapital hatte keine territoriale Rückzugsmöglichkeiten mehr. Der Markt war aufgeteilt, der Wettbewerb erreichte seine höchste Steigerungsform. Von nun an konnten sich die imperialistischen Großmächte vom Markt nur noch mit mechanischen, also gewaltsamen Mitteln vertreiben.
"Indem der Kapitalismus allen Ländern seine Wirtschafts- und Verkehrsweise aufdrängt, hat er die ganze Welt in einen einzigen ökonomischen und politischen Organismus verwandelt. Wie der moderne Kredit Tausende von Unternehmern durch ein unsichtbares Band verknüpft und dem Kapital eine erstaunliche Beweglichkeit verleiht, viele kleine Privatbankrotts verhindert, damit aber zugleich die allgemeinen Wirtschaftskrisen zu unerhörten Ausmaßen steigert - so hat auch die ganze ökonomische und politische Arbeit des Kapitalismus, sein Welthandel, sein System monströser Staatsschulden sowie die politischen Gruppierungen von Nationen, die alle Kräfte der Reaktion in eine Art weltweite Aktiengesellschaft einbeziehen, nicht nur allen einzelnen politischen Krisen entgegengewirkt, sondern auch den Boden für eine soziale Krise von unerhörten Ausmaßen bereitet." (Leo Trotzki: Ergebnisse und Perspektiven,, Die Permanente Revolution, Frankfurt 1971, S. 111f)
Der Ausweg war nur der Weltkrieg, in der überflüssiges Produktionsmaterial vernichtet werden konnte und genügend Arbeitskräfte verschwanden, um das drohende Heer der Arbeitslosen zu verhindern. Der I.Weltkrieg war eine Revolte der Produktivkräfte gegen die nationalstaatliche Struktur des Weltkapitalismus. Der einzige weitere Ausweg wäre die Antwort der Proletariats auf die inneren Widersprüche des Kapitals gewesen – die soziale Revolution. Doch diese Möglichkeit wurden von den sozialdemokratischen Parteien Europas – mit Ausnahme der serbischen – durch ihren Klassenverrat verhindert.
Der Ausbruch des Kriegs signalisierte das Ende des Aufschwungs, der nach dem Ende der Großen Depression begonnen hatte. Allerdings beendete nicht der Krieg den Aufschwung, sondern das Ende des Aufschwungs endete im Krieg, da die Produktivkräfte in Europa sich nicht mehr unter gegebenen Umständen weiter entwickeln konnten.
"Im technologischen Sinn entwickelte sich Europa mit ungeheurer Geschwindigkeit und Macht von 1893 bis 1913, es wurde während der 20 Jahre vor dem imperialistischen Krieg sozusagen wirtschaftlich reich. Mit Beginn des Jahres 1913 - und dies können wir positiv ausdrücken - kam die Entwicklung des Kapitalismus ein Jahr vor Ausbruch des Krieges mit seinen Produktivkräften zum Stillstand, weil die Produktivkräfte an die Grenzen stießen, die ihnen das kapitalistische Eigentum und die kapitalistische Form der Aneignung gesetzt hatten. Der Markt war aufgeteilt, der Wettbewerb erreichte seine höchste Steigerungsform und von da ab versuchten die kapitalistischen Länder einander vom Markt nur mit mechanischen Mitteln zu vertreiben.
Es ist nicht der Krieg, der die Produktivkräfte in Europa zum Erliegen brachte, sondern vielmehr entstand der Krieg selbst aus der Unmöglichkeit, die Produktivkräfte in Europa unter kapitalistischen Bedingungen weiter zu entwickeln." (Leo Trotzki, Die ersten fünf Jahre der Komintern)
Die wirtschaftliche Entwicklung Europas in den 1920ern bestätigte Trotzkis Analyse. Trotz Weltkrieg konnten die ökonomischen Vorkriegsbedingungen nicht mehr wiederhergestellt werden, was sich in manchen Ländern auch mit dem Sturz der politischen Ordnung direkt ausdrückte. Die Entwicklung der 20er Jahre ist in ganz Europa gekennzeichnet durch den Kampf der Industrie, das Produktionsniveau der Vorkriegszeit auch mit US-amerikanischer Kredithilfe wieder zu erreichen. Dies gelang Mitte der 20er Jahre. Und nach drei Jahren Wachstum geriet die deutsche Wirtschaft, die größte Europas, 1928-29 wieder in die Rezession, bevor auch die restliche Weltwirtschaft 1929 ins Chaos stürzte.
Quellen: Zeit & Mensch, http://www.wsws.org/de/2009/feb2009/bea1-f27.shtml (Eröffnungsbericht von Nick Beams auf der SEP Sommerschule: Der Wirtschaftszusammenbruch von 2008 und seine revolutionäre Bedeutung)
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