Willkommen in der virtuellen Welt in Rot

Dieser Blog dient mehrerer Funktionen:
Einerseits um mit mir selbst ins Reine zu kommen, andererseits um interessierte Leser an den wissenschaftlichen Sozialismus von Karl Marx und Friedrich Engels heranzuführen.
Neben ideologischen Fragen werden hier bei Bedarf auch Themen aus der Alltagspolitik versucht darzustellen.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Das Ende der Weimarer Republik - Eine persönliche Analyse

Für das Scheitern der Weimarer Republik, der ersten staatlich organisierten parlamentarischen Demokratie auf deutschen Boden, scheint es auf den ersten Blick mehrere Anlässe zu geben, welche der Historiker Eberhard Kolb zieltreffend auflistet. Dazu gehören autoritär-preußische Traditionen, republikferne Beamten, die Bürde der Kriegsschuld, außenpolitische Probleme, ökonomische Instabilität, Führersehnsucht und soziale Missstände. Abschließend erklärt Kolb, dass man seine Aneinanderreihung von „Ursachen“ noch verschieden gewichten müsste, um auf die Antwort zu kommen.
Wesentlich schlimmer fällt die Analyse von Hagen Schulze aus, welcher das Scheitern allein an das Denken und den Einstellungen der damaligen Menschen festmacht. Das Bewusstsein wäre nicht demokratiefähig gewesen, Verantwortliche hätten schlichtweg „falsch gedacht und deshalb falsch gehandelt“. Diese durchweg idealistische Auffassung hätte er auch mit dem bekannten Filmzitat von Forrest Gump zusammenfassen können: „Dumm ist, wer dummes tut.“ Ungeklärt bleibt hier die Frage, wieso die Menschen falsche Einstellungen zur Weimarer Republik hatten, woraus diese erwachsen sind und inwiefern der Lauf der Geschichte durch einzelne Bewusstseinsänderungen aufgehalten werden sollten.
Heinrich Winkler beginnt seine Analyse überzeugend, konzentriert sich letztlich aber zu sehr auf den Rechtsrutsch der bürgerlichen Parteien in der Endphase der Weimarer Republik, was eher als Sympton des Scheiterns anzusehen ist und nicht als Ursache.

Jeder der drei unterschiedlichen Analysen lassen meines Erachtens einen wichtigen Punkt viel zu unberücksichtigt: Die Gefahr für die Weimarer Republik, ausgehend von der KPD und dem Proletariat. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Etablierung des revolutionären Proletariats in der gesellschaftlichen wie politischen Mitte und dem Erstarken des Faschismus.
So unterschiedliche politische Ziele die Pro-Parteien der Weimarer Republik hatten (von der SPD, die den Sozialstaat ausbauen wollte, bis hin zur DNVP, welche die Rückkehr des Kaisers forderte), es herrschte ein breiter Konsens in ökonomischen Fragen: der Privatbesitz an Produktionsmitteln wurde nicht in Frage gestellt, das kapitalistische Wirtschaftssystem galt als alternativlos. Nun aber gab es eine neue Partei, die KPD, welche die ökonomische Hegemonie der Kapitalisten beenden und die Produktionsmittel in gesellschaftliches /staatliches Eigentum überführen wollte. Das hätte tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen bedeutet, welche den Interessen der Arbeitgeber logischerweise im Widerspruch standen. Bedingt durch die Entstehung der Sowjetunion im Osten war die Gefahr einer kommunistischen Revolution in Deutschland permanent, und die Kapitalisten sahen sich Existenzängsten ausgesetzt. Der erste Versuch dieser Revolution scheiterte im Spätherbst/Winter 1918/1919, als dessen Folge entstand die Weimarer Republik, welche die Herrschaft des Bürgertums vorerst sicherte. Gegen Ende der Republik wurde die Kampfstärke und die Mandatsanzahl der KPD immer höher, 1932 wurde die KPD in Berlin sogar stärkste Partei. Nach der Rettung in die bürgerliche Demokratie suchten die Kapitalisten nun ihr Heil im Faschismus, welcher stets versprach, die kommunistische Pest mit Stumpf und Stiel ausrotten zu wollen. Hitler und die NSDAP wurden massiv von der Großindustrie finanziell unterstützt, ein Großteil der deutschen Medien betrieb antikommunistische und rechtsorientierte Hetze (als Beispiel dient Hugenberg, welcher als Großindustrieller ein riesiges Pressekonzern besaß und selbst aktiv in Politik und öffentliche Meinungsbildung mitarbeitete).
Der Faschismus ist also der letzte Fluchtort des Kapitalismus, ein Wirtschaftssystem, was schlichtweg nichtmehr in der Lage war, seine Stellung durch das Instrument der parlamentarischen Demokratie zu verteidigen.
Der Sieg des Faschismus sollte zudem ein Kreuzzug gegen die Sowjetunion werden, um die rote Gefahr aus dem Osten zu bannen – wie es Hitler bereits 1925 unverholen verkündete.

Eine zweite wichtige Ursache für das Scheitern waren die Symphatien des Kleinbürgertums für den Faschismus. Dieses befürchtete stets, im Klassenkampf zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse zerrieben zu werden. Das Kleinbürgertum und die Mittelschicht entwickelten eine massive Angst vor der Arbeiterklasse und einem Sozialismus, der ihren sozialen Abstieg bedeuten würde. Gleichsam besaß das Kleinbürgertum aber auch eine Abneigung gegen den Kapitalismus, was sich in eine pseudo-antikapitalistische, nationalsozialistische Ideologie ausartete. Sie befürworteten den Antisemitismus als den „Sozialismus der Dummen“ (August Bebel) und liefen dem Faschismus so in die Arme.

Als Ursache Nummer drei sehe ich die in den 20er Jahren enorm gesteigerte technische Revolution. Es gab Erfindungen und Neuerungen ungeheuren Ausmaßes, die Gesellschaft wurde morderner (Radio, Kino, elektrischer Strom, Flugzeuge). Doch die Gesellschaft hatte keine Möglichkeit, diesen Fortschritt zu verdauen, ihr wurde ja stetig das Streben nach traditionellen und vergangenen Werten gelehrt. Preußische Tugenden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Gottesfurcht und militärische Disziplin etc. waren Werte, die nichtmehr mit der Modernität einhergingen. Materielle Modernität traf auf geistige Antimodernität. Es verwundert daher nicht, dass die Menschen nach einer Gesellschaftsform wie dem Faschismus strebten, welcher konsequent die Werte von 1789 verneinte und den liberalen Grundgedanken bekämpfte. Die kapitalistische Zivilisation erbrach so 1933 die unverdaute Barbarei.

Die Entwicklung in der Weimarer Zeit verlief nicht unvorhergesehen, abrupt oder plötzlich. Die Tendenzen zum Rechtsruck der bürgerlichen Parteien und das Erstarken der NSDAP waren vorangekündigt. Der 30.Januar 1933 war Folge des Scheiterns der Novemberrevolution von 1918, nichts als die Vollendung eines Kreislaufes. Die SPD bekämpfte die Aufstände der Arbeiter und schlug die Revolution nieder. Die Macht ging von der Arbeiterklasse an das Bürgertum zurück. Die SPD eröffnete somit eine Phase der Konterrevolution, welche von der NSDAP schließlich abgeschlossen wurde. Rettete sich der Kapitalismus anfangs durch die Sozialdemokratie vor dem Sozialismus, so rettete sie sich schließlich durch den Faschismus vor der misstrauischer werdenden Sozialdemokratie.

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